Stadtwerke Schweinfurt, teuerster Grundversorger in Deutschland.
von Matthias Urbach
22.07.2024, 12:24 4 Min.
Einige Stadtwerke verlangen in der Grundversorgung doppelt so viel für Strom und Gas wie die günstigste Konkurrenz. Diese Listen zeigen die jeweils zehn teuersten für Strom und Gas
Mehr als 50 Cent für eine Kilowattstunde Strom. Fast 20 Cent für die Kilowattstunde Gas. Preise, wie zum Höhepunkt der Energiekrise nach Ausbruch des Ukrainekriegs. Aber die Preise sind von heute. Und es sind nicht dubiose Klitschen, die so teuer Energie verkaufen. Es sind Stadtwerke. Grundversorger. Anbieter, denen die Bürger vertrauen.
Nehmen wir die Stadtwerke Schweinfurt: Dort kostet die Kilowattstunde Strom in der Grundversorgung gut 56 Cent. Eine vierköpfige Familie (mit 4000 Kilowattstunden Verbrauch) zahlt im Jahr 2380 Euro. Würde sie zum günstigsten Anbieter wechseln, könnte sie im ersten Jahr 1400 Euro sparen.
Fort vom Stadtwerk: Beim Gasversorger genug Geld für einen Sommerurlaub sparen
Oder nehmen wir die Stadtwerke Velbert: Dort kostet die Kilowattstunde Gas in der Grundversorgung aktuell für einen vierköpfige Familie (mit 20.000 kWh Verbrauch) 19,7 Cent. Kosten im Jahr: 4241 Euro. Würde sie zum günstigsten Anbieter wechseln könnte sie im ersten Jahr mehr als 2500 Euro sparen. Genug Geld für einen Familienurlaub.
Diese Preise sind keine Ausnahme. Der Sternhat mit Hilfe des Vergleichsportals Verivox die aktuell jeweils zehn teuersten Grundversorger für Strom und Gas bestimmen lassen. Im Schnitt verlangen diese Stadtwerke beim Strom 1100 Euro mehr als der günstigste Konkurrent mit Preisgarantie, beim Gas sogar knapp 2300 Euro mehr.
Vier Grundversorger schafften es sogar auf beide Listen: für Strom und Gas. Nämlich die Stadtwerke Velbert und Konstanz, sowie die Energieversorgung Gera (EGG) und die Zwickauer Energieversorgung (ZEV). Wer in diesen Städten Strom und Gas bezieht, ohne jemals seinen Vertrag verhandelt zu haben, sollte schnell etwas tun. Die gute Nachricht: Eine Grundversorgung hat keine lange Kündigungsfrist. Nach nur zwei Wochen können Kunden sich von ihrem teuren Anbieter trennen.
Wer nichts tut, landet automatisch in der Grundversorgung
Die Grundversorgung ist der Vertrag, in dem man landet, wenn man nach einem Einzug nichts tut. Schaltet man den Strom ein oder macht den Gashebel auf, ist man automatisch in der Grundversorgung. Wer bei der Anmeldung nichts anderes angibt, bleibt darin. Beim Gas steckt jeder fünfte private Kunde in der teuren Grundversorgung. Beim Strom sogar jeder vierte.
Die Bequemlichkeit, nicht zu wechseln, kommt die Kunden teuer. Denn die Grundversorger verlangen den höchsten Preis. „Die Haltung ist leider oft: Der Bestandskunde ist schon da, da kann man ohne Probleme auch mehr verlangen“, sagt Verivox-Geschäftsführer Daniel Puschmann dem Stern. „Als Ökonom glaube ich an den Markt, die Wechselsignale der Kunden müssen unbedingt auch bei den Grundversorgern ankommen. Sonst sinken die Preise nicht.“
Die Grundversorger sind sich keiner Schuld bewusst. Der Stern hat die teuren Versorger auf der Liste auf die hohen Preise angesprochen. Die Argumente sind einhellig: Als Grundversorger müsse man im Zweifel jeden Kunden aufnehmen. Deshalb kaufe man langfristig und risikoarm Gas und Strom für die Kunden ein. Üblich sind in der Branche Zeiträume zwischen 12 und 36 Monaten. Jeden Monat wird neu bestellt, egal wie hoch die Preise am Strom- und Gasmarkt sind. Typischerweise sind es um die 18 Monate.
Stadtwerke rechtfertigen sich: Risikostreuung zulasten der Altkunden
„Aufgrund der zeitlichen Risikostreuung beinhalten die Preise in 2024 Teilmengen, die mit Blick auf die Preisturbulenzen im Zusammenhang mit dem Ukrainekrieg in 2022 und 2023 zu vergleichsweise hohen Kosten beschafft werden mussten“, erklären etwa die Stadtwerke Velbert. Auch die Zwickauer Energieversorgung argumentiert, „die Marktpreisspitzen, insbesondere aus dem Sommer 2022, sind bei uns im Beschaffungszeitraum für das Jahr 2024 enthalten“.
Die Stadtwerke haben auch eine Sicherheitsfunktion: „Wir haben viele Kunden aufgefangen, deren Lieferanten in der Krise kurzfristig die Versorgung eingestellt hatten“, argumentieren die Stadtwerke Schweinfurt. „Dies hatte für uns zur Folge, dass wir kurzfristig zu Höchstpreisen zusätzliche Mengen einkaufen mussten.“ Tatsächlich gab es 2022 aufgrund der langfristigen Einkaufsplanung auch eine Phase, in der die Grundversorgung plötzlich vergleichsweise günstig war. Das war allerdings Anfang 2023 schon wieder vorbei. Am Ende kommen die Krisenpreise auch bei den Stadtwerken an, nur halt mit Verzögerung – im Zweifel höher.
Auffällig ist auch, dass eben nicht alle Grundversorger so viel verlangen. In Hamburg, Berlin und Köln kostet zum Beispiel die Kilowattstunde Strom knapp 42 Cent – was im Übrigen laut Bundesnetzagentur dem bundesweiten Durchschnitt aller Verträge entspricht, also Grundversorger und andere Verträge zusammengerechnet. Und es gibt Grundversorger wie die SWB in Bremen, die mit gut 35 Cent sogar deutlich unter dem Schnitt liegen.
Aktuell muss Strom nur 25 Cent pro Kilowattstunde kosten
Allerdings sinken seit über einem Jahr die Preise für neu abgeschlossene Verträge erheblich. „Ein guter Neukundentarif liegt im Moment bei Strom bei etwa 25 Cent pro Kilowattstunde“, berichtet Verivox-Geschäftsführer Puschmann. Und auch beim Gas geht es deutlich billiger. Während unsere zehn teuersten Stadtwerke im Schnitt 19 Cent pro Kilowattstunde Gas nehmen, sind es im bundesweiten Schnitt aller Vertragsarten nur 12,5 Cent. Und beim günstigsten Neuvertrag zahlen Kunden laut Verivox im bundesweiten Schnitt bloß 7,5 Cent.
Die Preisunterschiede sind so groß, dass selbst die staatliche Regulierungsbehörde, die Bundesnetzagentur, den Bundesbürgern empfiehlt, etwas zu unternehmen. „Wer es noch nicht getan hat, dem empfehlen wir, seinen Strom- oder Gasvertrag auf Einsparmöglichkeiten zu prüfen“, sagt Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur. „Ein Lieferantenwechsel ist derzeit die einfachste Möglichkeit, Geld zu sparen.“
Günstiger beim Stadtwerk selbst
Stadtwerke bieten in der Regel selbst sogenannte Sondertarife an, die günstiger sind als die eigene Grundversorgung. Auch darauf weisen die Stadtwerke hin.
Tatsächlich haben die Deutschen mehrheitlich solche Sonderverträge mit ihren Stadtwerken. Das ist das häufigste Argument, mit dem die superteuren Stadtwerke ihre teure Grundversorgung gegenüber dem Stern rechtfertigen: So berichtet ENNI, der Grundversorger für Moers, das rund 70 Prozent seiner Kunden günstigere Sonderprodukte nutzen.
Ein Sondertarif ist zwar besser als die Grundversorgung. Doch für die Kunden ist es in der Regel deutlich günstiger, einen ganz anderen Anbieter auszuwählen.
*Anmerkung zur Auswertung: Geprüft wurden die Tarife am 11. Juli 2024. Rechnung durch Verivox für den Stern, ausgewertet und geprüft vom Stern. Gaspreise für Haushaltskunden mit 20.000 Kilowatt Jahresverbrauch. Strompreise gerechnet mit 4000 Kilowattstunden Jahresverbrauch. Verglichen mit dem günstigsten Angebot mit Preisgarantie und gegebenenfalls Bonus.
Die Tabelle zeigt die jeweils zehn teuersten Grundversorger. Berücksichtigt bei der Auswahl wurden die 200 größten Städte nach Fläche, Bevölkerung und Bevölkerungsdichte laut Statistischem Bundesamt (Stand 2018).
Dieser Artikel ist eine Übernahme des Stern, der wie Capital zu RTL Deutschland gehört. Auf Capital.de wird er zehn Tage hier aufrufbar sein. Danach finden Sie ihn auf www.stern.de.
Quelle Beitragsbild: google maps
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